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Wasser­stoff­regionen am Reißbrett

Deutschland soll Wasserstoff­land werden. Darum fördert das Bundes­ministerium für Digitales und Verkehr bundes­weit sogenannte „HyExperts“ – Modellregionen, in denen regionale Wasserstoff­märkte und -wertschöpfungs­ketten aufgebaut werden sollen. IAV und die Beratungs­tochter C4D nutzen ihre Expertise – ein Projekt wurde bereits abgeschlossen, zwei weitere wurden gerade begonnen.

Christian Buck, Oktober 2022

Zwischen Oktober 2020 und November 2021 haben Experten von IAV und C4D eine Wasserstoff­strategie für das Saarland entwickelt. Im Mittelpunkt standen die Themenfelder Mobilität, Stahlerzeugung und -rohprodukte sowie industrielle Anwendungen wie Intralogistik und Prozesswärme. „Es gab zuvor schon lokale Arbeitsgruppen, etwa aus Erzeugern vor Ort“, berichtet Dr. Ingmar Hartung, Leiter des Teams Wasserstoff­infrastruktur und Elektrolyse bei IAV. „Unsere Aufgabe war es, die Stakeholder aus den Bereichen Erzeugung, Verteilung und Nutzung zusammenzubringen und gemeinsam mit ihnen Wasserstoff­geschäftsmodelle zu entwickeln.“

Während IAV sein technisches Verständnis beisteuerte, beschäftigte sich C4D vor allem mit ökonomischen Fragen. „Am Ende entstand eine techno­ökonomische Bewertung, die in ihren modellbasierten Szenarien zahlreiche Einfluss­faktoren wie Abzinsung und zukünftige Energiepreis­szenarien berücksichtigt“, erklärt Marcus Lassowski, Senior Consultant bei Consulting4Drive (C4D). „Sie beantwortet technische Fragen ebenso wie Fragen nach Finanzierungs­möglichkeiten. Wir geben aber auch politische Handlungs­empfehlungen – und weisen etwa auf Hürden im Genehmigungs­recht oder fehlende Interaktion kommunaler Unternehmen hin.“ Eine Roadmap bis 2030 für kurz-, mittel- und langfristige Aktivitäten ist ebenfalls Teil der Bewertung.

Fahrzeug­flotten müssen klima­freundlich werden

Ein wichtiges Thema in allen Modellregionen ist der Einsatz von Wasserstoff in öffentlichen Fahrzeugflotten. Denn bis 2025 müssen deren Betreiber gemäß der „Clean Vehicles Directive “ der EU nachweisen, dass mindestens 45 Prozent aller neu bestellten Fahrzeuge einen klima­freundlichen Antrieb haben – zum Beispiel mit Wasserstoff. Die Bewertung von IAV und C4D beschäftigt sich darum auch mit Reichweiten, Kosten, betrieblichen Aspekten und Finanzierungs­möglichkeiten von Wasserstoff­fahrzeugen. Mittlerweile ist die Umsetzung der Empfehlungen für die Modellregion Saarland in vollem Gang, und erste konkrete Projekte wurden angestoßen.

Bei der Konzept­entwicklung wurden einerseits bestehende lokale Initiativen analysiert, andererseits berücksichtigten die Experten auch globale Vorgaben wie etwa die CO2-Einsparziele des Bundeslands oder die jeweiligen Förder­möglichkeiten. „Wir schauen uns sowohl die Top-Down-Ansätze der Politik als auch die Bottom-Up-Lösungen der Unternehmen vor Ort an“, so Hartung. „Oftmals fungieren wir hier auch als eine Art Übersetzer.“

Konzept für Chemnitz bis 2023

Auf die gleiche Weise gehen IAV und C4D aktuell gemeinsam mit weiteren Partnern bei zwei anlaufenden Projekten in Chemnitz und im Havelland vor. Die Modell­region Chemnitz umfasst neben der Stadt auch die umliegenden Landkreise. Im Gegensatz zum Saarland gibt es hier weniger große Industrie­betriebe und keinen großen Wasserstoff­erzeuger. Alles ist dezentraler, was den Ausgleich von Angebot und Nachfrage deutlich schwieriger macht.

Seit Ende Juli 2022 arbeiten IAV und C4D am Konzept für die Modellregion in Sachsen, wobei den Experten sowohl das IAV-Entwicklungszentrum in Chemnitz/Stollberg als auch bestehende Kontakte zu lokalen Automobil­zulieferern zugutekommen. Bis Ende September 2023 werden die Experten ein Konzept vorlegen, das für Chemnitz und Umgebung maßgeschneidert ist.

In der Modellregion Havelland sind die Voraussetzungen wiederum speziell: Hier gibt es einerseits viele Windkraft- und Photo­voltaik, andererseits aber wenige industrielle Abnehmer für Wasserstoff. Allerdings verfügt die Region über Kavernen, die sich als Wasserstoff­speicher eignen. Außerdem eröffnen die Nähe zu Berlin und die geplante Wasserstoff-Pipeline von Rostock nach Leuna Absatzchancen. Hinzu kommen Anfragen aus dem Güter- und Schienenverkehr, wo beispielsweise Rangierloks auf Wasserstoff­betrieb umgestellt werden sollen. Wie sich bei diesen Besonderheiten eine regionale Wasserstoffwirtschaft aufbauen lässt, untersuchen IAV und C4D bis Ende August 2023.

Unser Experte zum Thema

Wolfgang Tschiggfrei
wolfgang.tschiggfrei@iav.de